FLEIß (n. m.)
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{Was für eine Hand zum Zeichnen erfordert werde}. Es ist aber zu der Zeichnung vonnöten/ daß die Hand mit sonderbarem Fleiß und durch langwürige Ubung sich expedit, färtig und hurtig mache/ alles mit der Feder/ Griffel/ Kreide oder Kohle/ abzuzeichnen oder wol nachzubilden/ was die Natur hervor gebracht. Dann wann der Verstand seine wol-ausgesonnene Concepte heraus lässet/ und die Hand/ durch vieler Jahre langen Fleiß in zeichnen geübet/ solche nach der Vernunft zu Papier bringet/ so wird die vollkommene Vortrefflichkeit so wol des Meisters/ als der Kunst/ verspüret.
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Solche Dinge/ die der Natur zum ähnlichsten/ können dem durch langen Fleiß abgematteten Künstler/ seine Mühwaltung/ mit Ehre und Gewinn wieder vergelten/ als wordurch Hand und Verstand zu einer sonderbaren gratia, Lebhaftigkeit und Leichte angewöhnet wird. Man glaube sicherlich/ daß diese practic, welche man durch viel Jahre mit sonderbarem Fleiß erworben/ sey das wahre Liecht zur Zeichnung/ und das Mittel eines Künstlers/ sich berühmt und ansehnlich zu machen.
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{Zweyerley Process im Mahlen: mit freyer Hand}/ Es gibt wackere Geister/ welche/ als wol experimentirt und erfahren/ ihnen eine Ideam von jeder Sache gleich einbilden/ und dieselbe/ ohne fernere Mittel/ ausmachen können. Solches aber ist nicht eines jeden Thun/ sondern eine absonderliche Gabevon meisterhaftem Verstand mag auch nur geschehen bey kleinen Werken von wenig Bildern oder stillstehenden Sachen/ daran nicht viel gelegen ist.
{und nach dem Vor-Riß} Andere sind/ die mit viel Arbeit und Bemühung sich setzen/ und ihre Meinung/ was sie in Gedanken gefasset/ mit Kreide oder Bleyweiß auf Papier zeichnen/ hernach auf ein mit einer ölichten Farb gegründtes Tuch/ den Umriß/ samt aller Zugehör/ auftragen/ folgends wol betrachten/ und mit todten Farben (welches man Untermahlen nennet) die noch-befindliche Fehler ausbässern/ heissen/ und endlich/ wann es wol trucken/ mit Fleiß übermahlen und ausmachen.
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7. [ndr: Regel] Ob man schon in einer Sache/ den rechten Grund zu erfinden/ sich lang verweilet/ soll man darum ohne Fundament nicht verfahren/ sondern den rechten Zweck unverdrossen suchen/ nach dem Spruch:
Dem Unverdrossnen ist kein Ding zu schwer/ der Fleiß macht alles ring.
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12. [ndr: Regel] Wir erkennen/ daß das Gesicht eine von den allergeschwindesten Wirkungen der ganzen Welt ist/ als welches augenblicklich unendliche Gestalten durchgehet und überschauet. Nichts desto minder kan es nicht alles/ augenblicklich und in particular erkennen oder distinguiren. Ein Beyspiel dessen/ ist diese ganz mit Druck-Buchstaben von der Presse überschriebene Blatseite: da man unverzüglich erstes anblicks urtheilet/ daß viel darauf geschrieben sey; was es aber für Wörter seyen/ und was sie sagen und bedeuten/ das kan niemand im ersten anblick sagen/ sondern er muß erstlich die Zeilen von Wort zu Wort durchgehen/ und ihren Innhalt erlernen. Eben also/ wann man ein hohes Gebäu oder Thurn besteigen will/ so ist natürlich/ daß man von Staffel zu Staffel hinauf gelange. Auf gleichen Schlag/ wann der angehende Mahler/ deme die Natur eine Fähigkeit zu solcher Weltberühmten himmlischen Kunst eingeflösset/ eine gründliche Wissenschaft unterschiedlicher Formen und Gestalten zu überkommen verlanget/ so ist nötig/ daß er solche von Glied zu Glied betrachte/ und nicht zu dem zweyten schreite/ ehe und bevor er das erste wol in die Gedächtniß gedrucket/ und einem Habito oder Gewonheit dieses zu machen überkommen habe. Dann wann es anderst geschiehet/ so wird entweder die köstliche Zeit verschleudert/ oder zum wenigsten das studium und die Ergreiffung der Kunst mächtig verzögert und prolongiret. Hat also der Lehrjünger mehr auf den Fleiß/ als auf die Geschwindigkeit/ sich zu verlegen.
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23. [ndr: Regel] Der Mahler soll allezeit/ mehr nach der Ehre als nach Nutzen/ trachten/ und nichtes dahin eilen: wie sich viele praecipitiren/ dadurch eine böse Gewonheit annehmen/ und zu grund gehen; da hingegen durch viel und beständiges studiren/ bey mehrung des Fleißes/ der Verstand sich ergänzet/ auch das Lob und die Ehre von sich selbst den Nutzen mit sich bringet.
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ES ist Welt-kündig/ und von allen Gelehrten also erkannt worden/daß/ wenn man gewillt ist/ ein vollkommenes Studium vor die Hand zu nehmen/ und darinne die Mittelmässigkeit zu überschreiten/ der Anfang/ um alles desto besser zu ergründen/ bey der Theoria
{Der wahre Weg um zu der Mahler-Kunst Vollkommenheit zu gelangen.} (oder Beschauligkeit und Lehr-Betrachtung) gemacht werden solle: damit/ vermittels derselben/ zu allen Regeln uns das Auge eröffnet/ und ein vollkommener Grund gelegt werde. Sintemal alßdann erst/ durch einen beständigen Fleiß/ die wahre Vollkommenheit zu hoffen ist. Eben diese Gelegenheit hat es auch/ mit der edlen Mahler-Kunst/ so wol/ als allen anderen dergleichen tieffsinnigen Geschäfften. Da hingegen/ sehr selten etwas Besonders zu hoffen/ von denen/ welche die Lehrsatz- und die Theoriam, aus Ungedult/ oder Trägkeit/ vorbey gehen/ und nur/ durch einen einfältigen Gebrauch/ oder flüchtige Practic, auf die {Treue Warnung wider den bösen Irrweg.} Kunst blind und unbedachtsam zuplatzen. Welcher verderblicher Irrweg/ sonderlich bey uns Teutschen/ viel mehr/ als einiger andern Nation/ bewandlet wird. Diesem nach habe ich eine hohe Nothdurfft erachtet/ alle solche Irrende/ wieder zuruck zuruffen/ vermittels kurtzer/ doch treuer Anweisung des nächsten Weges/ und gründlicher Bedeutung/ wie man zuvorderst/ durch die theoretische Lehr-Fassung/ zu der Ubung tretten müsse; und wann solche Ubung mit dem unermütedem Fleiß vermählet wird/ als denn endlich/ zu der Vollkommenheit der edlen Mahler-Kunst ohnzweiflich gelangen könne. Allermassen ich/ allen dieser edlen Kunst Wolgönnern/ Liebhabern/ und Beflissenen/ zu vermeintem Gefallen/ wie auch der ruhmwürdigen Kunst selbsten zu Ehren/ und grösserem Flor/ mich entschlossen/ einen ordentlichen Aufsatz zu machen; auch zu diesem/ in unserm ersten Buch der Teutschen Academie/ bereits den Anfang gemacht habe.
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{Man soll nicht seinen/ sondern mehr Anderen Urtheil trauen.}
Jedoch muß Einer Ihme selbsten nicht zuviel vertrauen noch liebkosen. Dann nichts mehr betrigt/ als des Menschen Urtheil in seinem eigenem Werck. Das beste Urtheil soll von Andern (auch von den Feinden selbst) und zwar eines Jeden seines angenommen/ und alle erfahrne Fehler gantz willig verbessern werden/ der mit gnugsamen Verstande versehene Mahler hat sich nicht eben völlig zubinden an Manier/ oder Gebrauch eines andern. { Auch mehr bey der Natur/ als bey Anderen zur Schul gehen.} Dann also wird er nicht ein Sohn/ sondern nur ein Enckel/ oder Vetter der Natur seyn/ indem er die gantze Welt vor sich hat. Worum wolte er andern in den Wincklen nachlauffen/ die doch auch allein von ihr gelernet? Man schöpffet das Wasser besser und klärer aus den Qvellbrunnen/ als aus den Bächlein Gräben und Weyern/ die von dannen geronnen seyn. Viel und oftermals begünstigt die Natur einem mehrer zuerlernen/ weder sein Meister selbst gewust. Dahero muß man ihm die Freyheit/ in der Natur selbsten zu studiren/ stets vorbehalten/ und mit beharrendem Fleiß beeyfern.
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Der Andere Anhang worinnen was einem galant-homme von dem Kupferstechen zu verstehen nützlich ja fast nöthig ist/ kurtz und deutlich abgehandelt wird. II. Was bey Kupfferstücken in Obacht zu nehmen/ um wohl darinnen zu wählen, p. 176
9. Wenn einer diese Eigenschafften auf Kupffern/ nebst einer guten Zeichnung findet/ dabey in Acht nimt/ daß an einem Stück alles mit gleichen Fleiß gearbeitet/ der Abdruck aber noch schwartz und frisch ist/ so kan er versichert seyn/ daß es ein gutes Stück sey.
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Das 2. Capitel. Beschreibung der Mahlerey-Kunst und des Zeichnen Nutz.
Es ist aber zu der Zeichnung vonnöthen, daß die Hand mit sonderbarem Fleiß, und durch sonderbare Uebung sich geschickt, fertig und hurtig mache, sowohl mit Feder, Griffel als Kreide oder Kohlen abzuzeichnen, oder wohl nachzubilden, was die Natur jemahls ans Tages-Licht gebracht.