NACHZEICHNEN (v.)
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Wann man nun/ in solchem nachzeichnen/ durch viele Ubung/ eine gute practic und Gewonheit/ auch sichere Hände/ erworben/ mag man zur Abzeichnung der lebendigen Dinge schreiten/ und darinn mit ämsigem Fleiß und Aufsicht sich so lang üben/ bis man eine nach den Regeln wolgegründete sichere Natürlichkeit erwerbe. {worzu die Academien dienen.} Hierzu ist allerdings nötig/ die Besuchung der Academien/ da man/ in Gesellschaft anderer/ von einem wolgestellten Subject, und lebendigen Modell, unterschiedliche Stellungen absihet: und ist dieses der allerbäste Weg/ zur Wissenschaft der äuserlichen Anatomie, Maß und proportion des Menschen gründlich zu gelangen.
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Es haben auch die Alten sich hierin sehr vernünfftig und viel bemüht/ die Landschafften nach dem Leben zuzeichnen/ und alsdann/ nach selbiger Zeichnung/ zu Hause ihre Gemähl zu verrichten. Die beste Art/ natürliche Landschafften mahlen zu lernen. Welchen Gebrauch/ sonderlich wo es an Zeit fehlet/ ich auch nicht gar verwehrt/ sondern vielmehr selbst mit gefolgt habe; aber wie ich mich ohnverdrossen besser daran gemacht/ und zu Rom/ auch zu Tivoli/ etliche Monatlang/ mit Farben und Tüchern ins Feld begeben/ und so gar nach dem Leben gemahlt/ und alles dasjenige/ nach solchen natürlichen Modeln/verfertigt/ hernach zu Hause gegen denselben die Nachzeichnung gemacht/ und paragonirt, hat neben mir den mächtigen Unterschied so handgreiflich gesehen und erkannt/ daß dieses dem wahren Weg zur Vollkommenheit weisete/ und daß er selbst auch also gefolgt/ bis er endlich ein Meister in Landschafften worden ist: mein Nachbar Claude Gilli, als ein hohes Liecht in Landschafften/ den mächtigen Unterschied so handgreiflich gesehen und erkannt/ daß dieses dem wahren Weg zur Vollkommenheit weisete/ und daß er selbst auch also gefolgt/ bis er endlich ein Meister in Landschafften worden ist: […]
Anciens (les)
LE LORRAIN (Claude Gellée)
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Rede bey Stellung des Modells, p. 6
[1. Theil des Kunst-Weges] was ein Jüngling bereits wissen müsse/ bevor er mit Nutzen in diese Lebens-Classe nach dem Modell zu zeichnen den Anfang machen könne. So muß er allbereits durch fleißiges Nachzeichnen guter Kupferstücke/ Zeichnungen/ und des runden und unbeweglichen Lebens/ ihme ein gewisses Augenmaß und eine fertige Hand erworben haben, damit mit sein Auge die grosse Proportion des vor ihm stehenden lebendigen Modells accurat und geschwinde ins kleine concipiren und abmessen/ die fertige und geschickte Hand aber/ die von dem Aug ins kleine concipirte Figur / auf dem Papier mit Linien sichtbar machen / und denen Augen der Anschauer darstellen können. […]
Wann es nun eineme Nachzeichner fehlet an einem gewissen Augenmaß : oder an einer geübten Hand : so wird selbiger auch mit dem Entwurff der Action sehr viel Zeit zubringen: und doch nichts an seinem gehörigen Ort placiren. […]
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Rede bey Stellung des Modells, p. 12
Was ein Jüngling im Nachzeichnen des Lebendiges Modells beobachten müsse. So ist das Erste: daß er ihme einen bequemen Sitz-Platz erwehle/ dabey gebe er acht auf folgende vier Umstände. (1) Die Distanz zwischen dem Auge des Zeichners und dem Modell, so also beschaffen seyn/ daß er ohne Verrückung des Haupts das Modell mit einem gemächlichen Blick beschauen könne/ dieses wird geschehen können/ wann er so weit vom Modell entfernet ist/ als ein oder anderhalbmahl das Modell lang ist.
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Rede bey Stellung des Modells, p. 14-15
[…] diejenigen Zeichners/ welche Liebhaber der Anatomie seyn/ sich vorzusehen haben/ daß sie nicht ohne Unterscheid alle Glieder gleiche starck oder deutlich musculiren/ als ob die Zeichnung eine Anatomische Lection seyn sollte: Es haben zu dem Ende alle berühmt Italiänische/ Französischen und Teutsche Meisters ja selbst die Academien beyder erstbenannten Nationen, vor nöthig geurtheilet/ daß man im Nachzeichnen des lebendiges Modells, nemlich : Was die menge der Musculen/ die breite der Glieder/ und die Degadation des Lichtes und des Schattens beträffe/ dasselbige genau folgen solle. Und wenn ja in denen Dingen etwas an dem Modell zu corrigiren/ oder zu verbesseren wäre/ […] Dann selbige Zeichnung als ein aufrichtiger Zeuge der Nature dienen würde.
Deutsche (die)
Französische (die)
Italiänische (die)
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Rede bey Stellung des Modells, p. 17
So viel habe ich von denen zwey ersten Theilen meines Vortrages zu melden vor nöthig erachtet/ nemlich :
1. Was sein Jüngling vorhero bereits wissen müsse/ wann er den Anfang machen wolle/ mit Nutzen nach dem modell zu Zeichnen.
2. Was er im Zeichnen nach dem Modell beobachten Müsse.
Nun solte ich noch den Dritten Theil vortragen/ nemlich : Was vor Nutzen ein Jüngling aus dem Nachzeichnen des lebendigen Modells ihme schaffen/ und wie er dermahleins die verfertigten Academie, und Zeichnungen: in seinem Wercken anbringen könne: Allein dieser Dritte Theil ist weitläufftiger weder die Zwey vorgesagte so wir itzt miteinander abgehandelt haben/ auch ist die gegenwärtige zum Zeichner bestimbte Zeit zimlich verflossen/ wannenhero ich solches biß zu einer andern Gelegenheit verspare/ und vor dieses mahl keine angenehmere Belohnung meiner Unterrichtung verlange/ als daß das Gelehrete von Euch Lehrbegierigen Jünglingen in die Ubung mögen gebracht werden.
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Das 2. Capitel. Beschreibung der Mahlerey-Kunst und des Zeichnen Nutz.
Wenn man nun solchen Nachzeichnen durch viele Uebung eine gute Practic, und Gewohnheit, auch sichere Hände erworben, mag man zur Abzeichnung der lebendigen Dinge schreiten, und darinne mit emsigen Fleiß und Aufsicht sich so lange üben, biß man eine nach den Regeln wohl gegründete sichre Natürlichkeit erwerbe, und hierzu ist allerdings nöthig die Besuchung der Academien, da man in Gesellschaft anderer von einem wohl gestellten Subject und lebendigen Modell unterschiedliche Stellungen absiehet. Dieses ist nun der beste Weg zur Wissenschaft die äusserlichen Anatomie, Maaß und Proportion des Menschen gründlich zugelangen.
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Es hat bey gegenwärtigem Wercke nicht die Meinung, als wolte ich von der Schönheit und Vollkommenheit, nebst allen darzu erforderlichen Wissenschafften, einer wohl ausführlichen Landschafft handeln; sondern nur und zwar hauptsächlich, wie man sich im Nachzeichnen solcher, durch verschiedene Vortheile verhalten soll. Derjenige würde sich sehr betrügen, wann er das Landschafft-Zeichnen vor was geringes halten wollte.
Diejenige würde sich sehr betrügen, wann es das landschaffft-zeichnen vor so was geringes halten wollte. […] Jedennoch aber hat das Auszeichnen derselben so viel Schwierigkeiten, daß, wer nicht schon im Zeichnen einige Gründe gelegt, damit schwerlich fortkommen wird […] so beziehe ich mich auf meine hierinnen gefaste Meinung vom Nachzeichnen einer Landschaft erkläre ; so von Figuren und deren Zergliederung handeln und sage, daß man allerdings derselben Methode nach verfahren könne.
[...] so sehen wir leicht , daß alles [ndr:Stamm, Haupt-Aeste und Reissig] und zwar notwendig im Anfang entworffen werden müsse ; welches Entwerffen darinnen besteht, daß man mit einzelen und simpeln Strichen auf das gelindeste verfahre.
[…]
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[…] so habe gleich Anfangs zu errineren, daß der Reguln, so bey dem Nachzeichnen des Schattens und Lichts, wie auch der Gewänder, können vorgeschrieben werden, gar wenige seyn. Und dieses […] kommt […] mehr auf die Praxin an, und kan die Theorie davon in so viel engere Schranken gesetzt werden, je weitläufftiger hingegen die Praxis ist. Diese muß sehr oft und vielfältig wiederholet seyn, biß diejenige Fertigkeit erhalten wird, welche zu einem geschickten Zeichner gehöret.
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Man wird in der Praxi eine merckliche Erleichterung, und durch öfters wiederholte Uebung endlich eine solche Fertigkeit im Nachzeichnen spüren, daß man alle vorkommende Zeichnungen geschwind und schicklich wird herzustellen wissen, ohne auf die zum Grund gelegt Reguln oder auf die Theorie ferners zu gedenken.