INTELLECTUS (n. m.)
TERM USED AS TRANSLATIONS IN QUOTATION
VERNUNFT (deu.)VERNUNFT
{Was für eine Hand zum Zeichnen erfordert werde}. Es ist aber zu der Zeichnung vonnöten/ daß die Hand mit sonderbarem Fleiß und durch langwürige Ubung sich expedit, färtig und hurtig mache/ alles mit der Feder/ Griffel/ Kreide oder Kohle/ abzuzeichnen oder wol nachzubilden/ was die Natur hervor gebracht. Dann wann der Verstand seine wol-ausgesonnene Concepte heraus lässet/ und die Hand/ durch vieler Jahre langen Fleiß in zeichnen geübet/ solche nach der Vernunft zu Papier bringet/ so wird die vollkommene Vortrefflichkeit so wol des Meisters/ als der Kunst/ verspüret.
Das I. Capitel.Von Der Erfindung und Zeichnung, p. 60VERSTAND
{Die Vernunft/ ist der Zeichnung Ursprung} Die Zeichnung […] ihren Ursprung aus der Vernunft hat/ so erfordert solche eine sonderbares Urtheil/als die universal-Form/Idea oder Modell aller Dinge/so die Natur jemahls gebohren. Dann diese machet in dem menschlichen Leib/ in den Thieren und Pflanzen/ folgbar auc die Gebäu- Bildhauer und Mahlerey-Arbeit/ die proportion und Gleichheit zwischen dem ganzen völligen Corpo und seinen Theilen/und den Unterschied zwischen denselben erkennen. Und aus dieser Erkäntnis entspringet eine gewiße imagination, Einbildung/ Meinung und Urtheil / welches ihm der Künstler in seinem Verstand vor-formet/ und nachmals mit Kreide/ Rötel oder Kohlen/ durch die Hand/ zu Papier bringet.
Das I. Capitel.Von Der Erfindung und Zeichnung, p. 60{In Gesellung der Farben/ ist die Härtigkeit und Unordnung zu vermeiden}; Der Mahler mus gleich anfangs in seinen Verstand die Austheilung der Farben beobachten/ damit er nicht plötzlich von einem extremo in das andere falle/ nämlich die höchste und niedrigste/ oder die liechteste und finsterste Farbe just neben einander setze: dann dieses würde eine unartige und widerwärtige Härtigkeit auswirken. Dergleichen beschihet aber nicht/ durch den dunklen Schatten jedlicher Figur/ so gleich auf die andere zuruck schläget: dessen Dunkle vielmehr andere Farben nur annemlicher belebet und herfür bringet. Es mus aber dieser Schatten mit seinem Corpo vereiniget seyn: […] Dann gleichwie/ ein einiger falscher tonus, eine ganze herrliche Harmoniam verstellet und unlieblich macht: also kan auch eine einige nicht recht ausgebildete Gliedmaße/ oder zuharte Farbe/ ein völliges Gemähl zernichten und verwerfflich machen. {Hingegen gute Maß und das Mittel zu halten.} Das gar zuhohe Weiß- oder Feuer-rohte/ beleidiget das Gesicht; und das allzubleiche oder dunkle/ macht die Kunst-Stucke veraltet und verlegen. Will also das Mittel/ mit Verstand und gutem Urtheil/ getroffen seyn/ in welchem Stuck noch viel Künstler jetziger Zeit zu thun finden.
Das II. Capitel. Von den Farben, p. 63
{Der Autor, und Claudius Gilli übeten sich hierinn zu Rom.} Die Landschaft-Mahler/ haben hierinn/ indem sie viel nach dem Leben gezeichnet/ sich wol-erfahren gemacht: maßen sie solcher Handriße sich nachmals überall bedienen können. Ich selbst thäte solches/ etliche Jahre lang. Endlich aber/ als mein nächster Nachbar und Hausgenoß zu Rom/ der berühmte, Claudius Gilli, sonst Loraines genant/ immer mit ins Feld wolte/ um nach dem Leben zu zeichnen/ aber hierzu von der Natur gar nicht begunstet war/ hingegen zum Nachmahlen eine sonderbare Fähigkeit hatte: als haben wir ursach genommen/ (an statt des Zeichnens oder Tuschens mit schwarzer Kreide und dem Pensel) in offnem Feld/ zu Tivoli, Frescada, Subiaca, und anderer Orten/ auch al S. Benedetto, die Berge/ Grotten/ Thäler und Einöden/ die abscheuliche Wasserfälle der Tyber, / den Tempel der Sybilla, und dergleichen/ mit Farben/ auf gegründt Papier und Tücher völlig nach dem Leben auszumahlen. Dieses ist/ meines darfürhaltens/ die beste Manier/ dem Verstande die Warheit eigentlich einzudrucken: weil gleichsam dadurch Leib und Seele zusammen gebracht wird. In den Zeichnungen wird hingegen alzuweit zuruck gegangen/ da die wahre Gestalt der Sachen nimmermehr also pur eigentlich heraus kommet. {Noch andere fürtreffliche Landschaft-Mahlere.} Es ist auch besagter Claudius, wiewol langsam genug/ endlich in dem Landschaft-Mahlen/ gründen und coloriren/ so perfect worden und hoch gestiegen/ daß er wunder gethan/ und billich ein Antecessor und Ubertreffer aller der andern mag genennet werden [...].
Hieraus ist nun leichtlich zu schließen/ daß die Zeichnung nichts anders seye/ als ein erkantlicher Entwurff/ Abbildung oder Erklärung unsers Concepts/ welchen wir in dem Gemüt ausgebrütet/ und der Einbildung/ als eine Form oder Idea, vorgestellet. {Sprüchw. Ex ungue Leo. Der Verstand ermisset einen Leib/ aus einem Theil desselben.} Es ist ein Welt-kündiges Sprüchwort der Alten: Ex ungue Leo, der Löw aus der Klaue. Damit wird so viel gesaget/ daß/ wann einem vernünftigen Manne nur ein Stuck von einem natürlichen Corpo vorgewiesen werde/ er alsofort in seinem Verstand den ganzen Leib mit allen dessen Theilen/ in seine imagination oder Einbildung fasse/ gleich als ob ihm derselbe völlig und lebhaft vor Augen gestellet wäre.
Das I. Capitel.Von Der Erfindung und Zeichnung, p. 60