CANON (n. m.)
TERM USED AS TRANSLATIONS IN QUOTATION
CANON (nld.)CANON
Galenus {Lib. V. de Hippocratis & Platonis dogmatibus} ghewaeght dat Polycletus niet alleen de regulen om een volkomen stuck-wercks te maecken in ’t schrift ghestelt heeft, maer dat hy boven dien goed vond een statue nae ’t voorschrift der voornoemder regulen te maecken. Policletus maeckte een stuck wercks, seght Plinius {Lib. XXXIV. Cap. 8.} ’t welck onder de Konstenaers eenen Canon ofte richt-snoer geheeten wordt, omdat sy den rechten treck der Konste daeruyt, als uyt een sekere wet, plagten te haelen:
Het Tweede Boeck, Capittel III.3, p. 86REGEL
Etliche Mahlerey-Regeln […]
Zum Beschluß/ folgen hier etliche zur Mahlerey-gehörige Canones oder Regeln/ die ich mir/ bey meinen Studien/ selber vorgeschrieben/ und denselben gefolget: deren sich alle/ so von dieser Edlen Kunst Profession machen/ mit nutzen bedienen können.
1. [ndr: Regel] In der Practik von der Edlen Mahlerey-Kunst/ muß man/ alle deren Regeln und Gesetze/ jederzeit vor Augen haben/ und denselben folgen.
2. [ndr: Regel] Die Vollkommenheit eines Werkes hierinnen/wird/ nicht durch das aussprechen hochtrabender Worte/ oder Red-Zierlichkeit ohne Erfahrung/ sondern durch rechte Wissenschaft und deren vollziehung/ erlanget.
3. [ndr: Regel] Die bekannte und berühmte alt-bewährte Observanz und Gebräuche/ sind den täglichen neu-herfürkommenden leichten Manieren/ in alle Wege vorzuziehen.
4. [ndr: Regel] Ein Künstler/ der etwas großes und löbliches auszubilden begehret/ muß sich vor allen Dingen befleissen/ daß er dessen/ was er eigentlich repraesentiren will/ eine vollkommene Wissenschaft habe.
5. [ndr: Regel] Das Amt eines guten/ geschickten und erfahrnen Mahlers ist/ daß er/ in allen Theilen seiner Werke/ sich vollverständig zeige/ oder wenigst darinn so nahe herbey komme/ daß vom bästen zum schlechtsten ein kleiner Unterschied erscheine.
6. [ndr: Regel] Wer der Ubung dieser Studien nicht beygewohnt/ oder den Mahlern zugesehen/ noch auch den jenigen/ so da von lehren und reden/ fleißig und oftmals zugehöret/ sondern allein darum für einen genug-erfahrnen Künstler sich austhut/ weil er viel gelesen hat/ der ist nicht allein sehr unweis/ sondern er betrieget nur sich selber.
7. [ndr: Regel] Ob man schon in einer Sache/ den rechten Grund zu erfinden/ sich lang verweilet/ soll man darum ohne Fundament nicht verfahren/ sondern den rechten Zweck unverdrossen suchen/ nach dem Spruch:
Dem Unverdrossnen ist kein Ding zu schwer/ der Fleiß macht alles ring.
8. [ndr: Regel] Gleichwie die Art des Landes/ auch die Zeit/ in welcher die Historien geschehen/ die man zu repraesentiren gewillt/ unterschiedlich ist/ also erfordert die Notdurft/ daß selbiger Zeit und Landes Natur und Beschaffenheit in den Bildern und Angesichtern gebrauchet/ auch die Kleidung/ die Landschaften und Thiere/ dabey sie zu erkennen/ beobachtet werden.
9. [ndr: Regel] Man soll sich an keine Manier/ Gewonheit oder angenommenen Gebrauch binden/ sondern wie die Natur immer alles verändert und anderst gebieret/ also sollen wir immerzu in allem uns verändern und von dem guten zum bässern wenden.
10. [ndr: Regel] Der Einraht oder das Exempel der Vortrefflichsten/ worinn sie aestimirt sind/ soll nicht aus der acht geschlagen werden: man habe dann/ durch gründliches Examen, es noch bässer gefunden.
11. [ndr: Regel] Die gute Werkmeister sterben nimmermehr/ im Gedächtnis der Vernünftigen; und die Früchte/ welche von den Gelehrten gezeuget worden/ sind viel wärhaftiger/ als der Unerfahrnen ihre: daher die schöne Seelen/ weil heutigs Tags die Tugenden und Künste sich nicht erhalten ohne viel Arbeit und Unkosten/ deren keines sparen/ um jener Schaar der Ruhmseeligen nach dem Tode zugesellt und zugezehlt zu werden.
12. [ndr: Regel] Wir erkennen/ daß das Gesicht eine von den allergeschwindesten Wirkungen der ganzen Welt ist/ als welches augenblicklich unendliche Gestalten durchgehet und überschauet. Nichts desto minder kan es nicht alles/ augenblicklich und in particular erkennen oder distinguiren. Ein Beyspiel dessen/ ist diese ganz mit Druck-Buchstaben von der Presse überschriebene Blatseite: da man unverzüglich erstes anblicks urtheilet/ daß viel darauf geschrieben sey; was es aber für Wörter seyen/ und was sie sagen und bedeuten/ das kan niemand im ersten anblick sagen/ sondern er muß erstlich die Zeilen von Wort zu Wort durchgehen/ und ihren Innhalt erlernen. Eben also/ wann man ein hohes Gebäu oder Thurn besteigen will/ so ist natürlich/ daß man von Staffel zu Staffel hinauf gelange. Auf gleichen Schlag/ wann der angehende Mahler/ deme die Natur eine Fähigkeit zu solcher Weltberühmten himmlischen Kunst eingeflösset/ eine gründliche Wissenschaft unterschiedlicher Formen und Gestalten zu überkommen verlanget/ so ist nötig/ daß er solche von Glied zu Glied betrachte/ und nicht zu dem zweyten schreite/ ehe und bevor er das erste wol in die Gedächtniß gedrucket/ und einem Habito oder Gewonheit dieses zu machen überkommen habe. Dann wann es anderst geschiehet/ so wird entweder die köstliche Zeit verschleudert/ oder zum wenigsten das studium und die Ergreiffung der Kunst mächtig verzögert und prolongiret. Hat also der Lehrjünger mehr auf den Fleiß/ als auf die Geschwindigkeit/ sich zu verlegen.
13. [ndr: Regel] Eines zierlichen Bildes Hand/ soll nicht höher als der Kopf/ der Ellenbogen nicht höher als die Achsel/ und der Fuß nicht höher als bis zum Knie/ erhoben seyn. Der Fuß soll auch nicht weiter/ als einen Fuß weit/ schreiten.
14. [ndr: Regel] Es soll eines jeden Bildes Seele und Begierde ausgebildet werden/ so gar auch in den Thieren. Dann es ziemet sich nicht/ daß die zum Pflug gebrauchte Schieb-Ochsen in der zierlichen Gestalt stehen/ wie des großen Alexandri Pferd Bucephalus. Dieses kan aber wol geschehen mit der berühmten Tochter des Inachus welche in eine Kuhe verwandelt worden/ und mag man sie mahlen/ wie sie mit aufgerichtem Haupt und flüchtigen Füssen/ auch verwickleten Schwanz/ hinweg lauffet.
15. [ndr: Regel] In beobachtung der nötigen Proportion des Leibs und der Gliedmaßen des Menschen/ auch der Thiere/ ist das Hauptstuck/ daß die Gliedmaßen wol auf einander correspondiren/ und nicht ungleich/ auch nach erforderung des sexûs, zu stehen kommen.
16. [ndr: Regel] Die allgemeine Maß an den Bildern/ muß der Länge nach/ und nicht nach der Dicke/ beobachtet werden.
17. [ndr: Regel] Unter den lobwürdigen und wunderbaren Dingen der Natur/ ist auch dieses/ daß in einer specie unterschiedliche Formen begriffen/ welche niemals einander just und in allen gleich sind. Dahero soll der Nachfolger der Natur/ die Gliedmassen gnau und wol beobachten.
18. [ndr: Regel] Das Widerspiel/ nämlich lange Füße und ein kurzer Hals/ eine änge Brust und lange Arme/ soll man/ als heßlich und unformlich/ fliehen/ und alles/ nach Unterschied der Natur/ unterscheiden
19. [ndr: Regel] Wann du willens bist/ etwas nach dem Leben zu zeichnen/ so stehe zwey- auch wol dreymal so weit von deme/ was du nachzeichnen wilst/ als dessen Größe ist/ und habe vor dir etliche gleiche Linien in der imagination, damit besichtige/ was du zeichnest: alsdann werden dir/ solche Vorbildungs-Linien/ dessen rechte Erkäntnis geben. Dieses ist in allem Vornehmen/ auch in nachzeichnung der Antich-Studien/ zu observiren. Hierbey aber ist zu merken/ weil die berühmteste Antichen in der Vollkommenheit all-hoch gestiegen/ daß man denen just nachfolge/ und weder davon/ noch darzu thue: dann sonst irret man sehr weit/ wie vielen Franzosen/ auch Niederländern/ oft wiederfahren/ die ihre Sachen/ mit der von ihren Lehrmeistern angenommenen eignen bösen Manier/ nach den Antichen/ gemacht; daher solche/ wann sie auf dem Papier gestanden/ des guten wenig gehabt/ sondern mehr ihrem Callot oder Perier, auch des Sprangers/ Golzius oder Rubens Manier gefolget/ oder wenigst das ansehen gehabt/ daß sie ihnen gefolget. Ist derowegen den gerechten guten Antichen/ sowol als den raresten Gemählen/ ohne änderung/ geraden Wegs nachzufolgen: weil selbige/ gleichwie die heilige Schrift/ weder Castrirung noch Zusatz leiden.
20. [ndr: Regel] Aus den kleinen Kunst-Sachen sind die Fehler nicht so gut/ als wie in den Großen/ zu erkennen. Die Ursach ist/ weil jene nicht können mit allen den nötigen Theiln erfüllet werden/ als wie in einem Menschen oder Thier von Lebens-Größe. Wann dann das Werk also nicht voll ausgemacht ist/ so kan man auch die Fehler so leicht nicht darinn verspüren. Bey Exempel/ wann du auf zwey- oder dreyhuntert Schritte weit einen Mann mit allem fleiß ansehen wirst/ so kanst du wegen der Distanz nicht urtheilen/ ob er schön oder häßlich/ ob er sonderbarer oder gemeiner Gestalt sey. Und wann du dieses Manns verkleinerung recht erkennen wilst/ so halte deinen Finger nur eine Spann weit von deinem Aug/ daß dessen Spitz unter des von weitem stehenden Manns Füßen austrifft: alsdann hebe den Finger auf und wider nieder an dasselbige Ort/ so wird deinem Aug eine unglaubliche Verkleinenerung erscheinen.
21. [ndr: Regel] Man muß zugleich/ überall und bey allen Leuten/ doch auch zuhaus oder allein seyn: das ist/ man muß mit seinen Gedanken allenthalben auf alle taugliche objecta ausschweiffen/ die man/ zu seinem Proposito dienlich/ jemals gesehen/ und doch solche zuhaus allein mit sich selbsten überlegen/ und das bäste davon auserlesen: dann also wird der Lehrling bald eine löbliche Natürlichkeit in seinen Werken erlangen.
22. [ndr: Regel] Wann man von einer fürnehmen Historie ein oder mehr Modelle gemacht/ soll man mit einem vertrauten Freund zu raht gehen/ und selbiges examiniren lassen/ auch aller Erinnerung fleißig nachkommen/ und trachten/ daß alles der Historie gemäß und aufs zierlichste ersonnen seye: alsdann hat man dem Leben zu folgen.
23. [ndr: Regel] Der Mahler soll allezeit/ mehr nach der Ehre als nach Nutzen/ trachten/ und nichtes dahin eilen: wie sich viele praecipitiren/ dadurch eine böse Gewonheit annehmen/ und zu grund gehen; da hingegen durch viel und beständiges studiren/ bey mehrung des Fleißes/ der Verstand sich ergänzet/ auch das Lob und die Ehre von sich selbst den Nutzen mit sich bringet.
24. [ndr: Regel] Es hat gar wol gesagt/ daß alsdann ein Werk zu seiner Vollkommenheit gelanget sey/ wann es dem Besitzer eine Freude/ und dem Verfärtiger den verhofften Nutzen und Frommen erwerbe.
25. [ndr: Regel] Obschon unterweilen etliche geringe und unachtbare Fehler mit unterlauffen/ so soll doch/ wegen anderer Vortrefflichkeit/ das Werk ungetadlet bleiben: gleichwie man die Künstlichkeit eines weitberühmten Lautenschlagers/ wegen eines einigen falschen Säiten-griffs/ nicht beschämet: auch ein guter Bogenschütz unbillich verworffen wird/ wann er einmal des Schwarzen verfehlet. Die bäste und herrlichste Gemälde mißfallen oft anfangs den Augen/ bis daß man den Intento und Zweck des Künstlers erreichet. Darum soll man die Gemälde in das Gemüte und den Verstand langsam/ wie die Hüner das Wasser durch Schnabel und Schlund/ hinablassen; und alsdann erst sein Urtheil darüber ergehen lassen.